Flanieren oder Zeitreisen?
Das Empfinden von Distanz ist eine relative Erfahrung. Das gilt für Zeit und Raum gleichermaßen. Was dem einen vorkommt, als sei es gestern gewesen, ist für den anderen schon ‚Milljuhnen‘ Jahre her. Auf dem Rad fühlen sich 20 Kilometer Moselradweg viel kürzer an als die strammen 3,5 Kilometer des Calmont Klettersteigs, die auf kurzer Strecke 250 Höhenmeter über den Fluss hinaufführen. An kaum einem anderen Ort sind Nähe und Ferne in ihrer Gleichzeitigkeit so eindrücklich erlebbar wir in Trier. An manchen Stellen der geschichtsträchtigen Innenstadt bedarf es nur einer beherzten Drehung um die eigene Achse, um binnen Sekunden einen Blick ins römische Reich, das Mittelalter und das Industriezeitalter zu werfen.
Wer sich am oberen Ende der Simeonstraße, auf dem ausladenden Vorplatz der Porta Nigra wiederfindet, kann bei einem ersten Blick auf die beinahe 30 Meter hohe Fassade des imposanten Stadttors nur erahnen, wie viele Generationen bereits durch seine Rundbögen ins Stadtinnere gelangten. Das ehemals helle Sandsteintor, das seinen Namen einer graduellen, von Umwelteinflüssen bedingten Verdunkelung verdankt, stammt aus dem Jahr 170 n. Chr. Beinahe 2000 Jahre buntes Treiben hat das stattliche Tor, das 1986 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde, damit bereits gesehen. Gemeinsam mit der Römerbrücke, dem Amphitheater, den Kaiserthermen, dem Dom, der Liebfrauenkirche, der Konstantinbasilika und der Igeler Säule erhebt sich die Porta damit als beeindruckende Zeitzeugin aus dem römischen Reich über die Gegenwart.
Von der Porta Nigra aus gesehen ist Triers Hauptmarkt keine 500 m weit entfernt. Trotzdem entführt die kurze Strecke jeden, der sich in Richtung St. Gangolf, der Markt- und Stadtkirche Triers, auf den Weg macht, direkt ins Mittelalter. Genauer gesagt, ins Jahr 1231, als das stattliche Dreikönigenhaus fertiggestellt wurde – ein mittelalterlicher Prachtbau, der auch heute noch zu beeindrucken weiß. Als einer von mindestens 13 Wohntürmen könnte das ca. 22 m hohe Gebäude heute mit Fug und Recht als einer von Triers ersten Wolkenkratzern gelten. Wem vor lauter Zeitreise bereits die Ohren glühen bzw. die Socken qualmen, muss sich in der Simeonstraße von heute keine Sorgen machen: An Eiscafés mangelt es nicht und beim Durchprobieren findet man schnell heraus, wo sich der schönste Ausblick auf vergangene Zeiten bietet.
Wieder auf dem Vorplatz der Porta Nigra angelangt, lohnt sich zuletzt noch ein Blick auf die geschäftige Häuserzeile gegenüber vom Stadtmuseum und der Tourist-Information. Mit einem ironischen Augenzwinkern hat die Geschichte dort wohl Platz geschaffen, um im Erdgeschoss eines unscheinbaren, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Mansardenbaus, einen EuroShop anzusiedeln. Distanz ist relativ, auch zeitlich, und so fragt man sich doch, was Karl Marx – ehemaliger Bewohner und bedeutender Kapitalismuskritiker – über sein altes ‚Dahemm‘ heute sagen würde. Letztlich bleibt es jedem selbst überlassen, sich ein Bild von der Geschichte zu machen – eins ist dabei aber sicher: So eindrücklich wie in Trier ist das fast nirgendwo möglich.
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